Was passiert bei Datenrettung mit Software?
Zu kaum einem anderen Thema wird im Internet und sogar in einschlägigen Zeitschriften so viel Halbwissen verbreitet wie zu Datenrettungen. Daher werden wir uns nun gemeinsam ansehen was in welcher Situation in einer Festplatte passiert.
Nur wenn wir verstehen was in einer Festplatte vor sich geht und wo genau das Problem liegt, können wir auch entscheiden welche Methode der Datenrettung die richtige ist!
Erschreckender Weise wird dies sogar von sehr vielen IT-Firmen und PC-Servicetechnikern föllig falsch angegangen denn selbst in der Ausbildung in diesem Bereich gibt es leider einige Defizite! Wir bekommen immer wieder Datenträger von IT-Dienstleistern, die eine Datenrettung erschwert oder völlig unmöglich gemacht haben durch kontraproduktive Datenrettungsversuche.
Was passiert in der Festplatte beim Kopieren und beim Suchen?
Beim Kopieren von Daten springt der Schreib-/Lesekopf zum Dateisystemkatalog am Anfang der Platte um auszulesen wo die Datei physisch auf den so genannten Magnetscheiben liegt. Anschließend springt der Kopf an die Position der Datei um diese zu lesen. Das wird dann für jede Datei wiederholt.
Beim Suchlauf eines sogenannten Datenrettungs-Programms wird versucht verlorene oder gelöschte Dateien wieder im Dateisystemkatalog einzubinden. Der Dateisystemkatalog ist vereinfacht gesagt eine Datenbank in der Dateinamen, Ordnerstrukturen, Besitzer, Zugriffsrechte und vieles weitere gespeichert werden. Dabei wird die Festplatte nach Dateien durchsucht und dann geprüft ob diese im Dateisystemkatalog eingebunden sind. Daher sind diese Programme eher Dateisystemkatalog Reparatursoftware als Datenrettungstools!
Was verursacht Ausfälle von Platten?
Bei einer Erschütterung oder einem Stromausfall kann der Schreib-/Lesekopf kurz auf den Magnetscheiben aufsetzen und so können mikroskopisch kleine Kratzer auf der Oberfläche entstehen. Dadurch muss der Kopf nicht sofort ausfallen aber ab diesem Zeitpunkt ist der Ausfall vorprogrammiert.
Dieser 1 - 1,5mm lange Kratzer hat zur Instabilität des Kopfes geführt. Nachdem der Kunde es aufgrund der Kosten lieber selber mit einem Bekannten versuchen wollte retournierten wir die Platte. Das Ergebnis als wir diese nach einem Monate wieder bekamen sehen Sie unten. (Die Platte mit dem Papierstreifen im Bild)
Weniger dramatisch aber dafür genau so schädlich können defekte Sektoren sein. Wann immer die Festplatte auf solche Bereiche trifft versucht die Firmware diese mehrfach zu lesen und dies beansprucht den Schreib-/Lesekopf erheblich. Je öfter dieser auf defekte Sektoren trifft und umso mehr erneute Leseversuche stattfinden umso schneller wird er Kopf beschädigt, bis er am Ende ausfällt.
In den 5 Beispiel-Bildern oben kann man gut sehen wie der Schreib-/Lesekopf über die Zeit abbaut. Haben wir am Anfang des Vorgangs noch deutliche Ausschläge in der grünen Linie so nehem diese immer weiter ab je weiter der Vorgang fortschreitet. Daher haben wir zuerst die Bereiche geklont die mit Daten belegt waren und danach die Bereiche geklont die im ersten Durchgang aufgrund von Lesefehlern übersprungen wurden sowie die derzeit nicht belegten Bereiche der Platte um so auch auf gelöschte oder verlorene Daten zugriff zu haben.
Der Suchlauf von Datenrettungs-Software hätte das gleiche Ergebnis geliefert nur, dass am Ende der Analyse nicht eine einzige Datei kopiert wäre und der Kopf wie hier quasi ausgefallen ist. Es wäre also Fraglich ob dieser Kopf dann nochmals 800GB an Daten kopieren könnte. Vor allem erlaubt es uns spezielle Hardware Dinge wie Timeouts und dergleichen zu steuern um im ersten Durchlauf so viel an Daten wie möglich zu klonen ohne den Kopf dabei zu stark zu belasten. Nachdem wir dann einen Großteil der Daten gesichert haben, können wir die zuvor entstandenen Lücken füllen und dabei den Ausfall des Schreib-/Lesekopfes riskieren.
Sogenannte logische Fehler entstehen durch Software-Bugs, abgebrochene Schreibvorgänge, etc. Hierbei wird die Platte nicht physisch beschädigt. Darum ist eine Diagnose auch so wichtig um zu entscheiden was das richtige Vorgehen ist.
Software-Datenrettung ist nur dann risikolos machbar, wenn sichergestellt ist, dass die Festplatte zu 100% funktioniert und keine Probleme hat. Aber auch in diesem Fall kann dies dazu füren, dass der Schreib-/Lesekopf ausfällt. Stoppt man den Vorgang dann nicht sofort, wird der Kopf über Kurz oder Lang anfangen die Oberfläche der Magnetscheiben zu zerkratzen und so die Daten zu vernichten.
Eine Datenrettung muss aber in jeden Fall überwacht werden, denn auch wenn die Platte in Ordnung ist kann ein Suchlauf von Software oder ein Klonen der Platte viel "Stress" verursachen und zu einem Ausfall führen! Weiter unten sehen Sie zwei Beispiele was passiert wenn ein Datenrettungsversuch unbeaufsichtigt über Nacht läuft.
Was kann im schlimmsten Fall passieren?
Bei dieser Platte wurde die ganze Oberfläche völlig abgeschliffen und dadurch die Daten vernichtet. Man sieht hier gut, dass die Magnetscheiben dieser Platte beschichtete Glasscheiben sind! Bei dem Versuch des Bekannten muss der Kopf aufgrund des Kratzers völlig ausgefallen sein. Dann hat er angefangen die Oberfläche abzutragen und je mehr Schleifstaub so entsteht umso schneller geht der vorgang dann weiter.
Bei dieser Platte wurde ebenfalls die ganze Oberfläche zerkratzt und dadurch die Daten vernichtet. Man erkennt den grauen Staub, der beim Abreiben der Beschichtung entsteht, an der orangen Rampe auf der die Köpfe geparkt werden. Bei dieser Platte hat sogar der unten hingelegte Filter völlig versagt so das sich der "Schleifstaub" überall verteilen konnte. Damit so etwas nicht passiert sollten Platten während der Datenrettung genau überwacht werden!
Wie macht man es richtig?
Beim Klonen von der Platte werden alle Daten gelesen und direkt auf eine gesunde Platte geschrieben. So muss sich der Kopf nur einmal langsam von Anfang zum Ende der Platte vorarbeiten. Hierbei können im Fall von Lesefehlern auch größere Bereiche übersprungen werden um auf diese problematischen Bereiche in einem zweiten Durchlauf zurückzukommen nachdem der Großteil der Daten gesichert wurde. Oben sehen Sie eine Zeitraffer-Aufnahme von ca. 45 Minuten eines Klonvorgangs.
Außerdem sieht man an diesem Clip gut die Limitierung von Software die zum klonen verwendet wird. Am Ende des Clips treten einige Lesefehler auf die mit Resets behoben werden. Nach einer bestimmten voreingestellten Zahl von Fehlern kann die Software nun noch den Kopf weiter hinten positionieren, hoffen das diese Position keine Beschädigung aufweist und den User informieren. Hardware-Imager könnten in solchen Fällen die Platte komplett abschalten um mechanische Beschädigungen zu verhindern.
Höchstwahrscheinlich hätte aber auch schon ein Programm zum Klonen gereicht um die Platte mit dem Kratzer zu retten. Auch wenn der Kopf ausgefallen wäre hätte der Sprung verhindert, dass der Kopf alles abschleift.
Das Problem wäre hier eher die Diagnose gewesen. Nach dem öffnen der Festplatte ist das Problem offensichtlich und dann kann man auch entsprechende Einstellungen an einem Imaging-Tool treffen um beim ersten kleinen Lesefehler 1% oder 2% der Daten überspringen um so den Bereich mit dem Kratzer gleich wieder zu verlassen. Nur sollte man Festplatten ausschließlich unter Reinraum-Bedingungen öffnen und damit ist die Diagnose hier das Problem. Weiß man nichts von diesem Kratzer, kann man auch keine Vorkehrungen dafür treffen.
Worauf muss man also achten?
Software-Datenrettung ist nur dann risikolos machbar wenn sichergestellt ist, dass die Festplatte zu 100% funktioniert. In jedem anderen Fall kann dies dazu füren, dass der Schreib-/Lesekopf ausfällt und dann anfängt die Oberfläche der Magnetscheiben zu zerkratzen und so die Daten zu vernichten.
Eine Datenrettung muss aber in jeden Fall überwacht werden denn auch wenn die Platte in Ordnung ist kann ein Suchlauf von Software oder ein Klonen der Platte viel "Stress" verursachen und zu einem Ausfall führen! Oben haben Sie zwei Beispiele gesehen was passieren kann wenn ein Datenrettungsversuch unbeaufsichtigt läuft.
Wie kann man eine Festplatte überprüfen?
Zuerst gilt es die S.M.A.R.T. Werte zu analysieren. Diese geben einen groben Überblick über den Gesamtzustand der Platte. Sollten diese nicht ausgelesen werden können, oder die Festplatte gar nicht starten, dann ist der Zustand sehr kritisch.
Weiters kann man die Festplatte mit einem einfachen Stethoskop abhören um auf mechanische Defekte oder Probleme zu schließen. Dies erfordert allerdings einiges an Erfahrung und das Wissen wie genau der Startprozess der Platte abläuft.
Professionelle Datenretter haben dazu noch die Möglichkeit Statusmeldungen über die serielle Schnittstelle der Festplatten abzufragen. Dazu könnte man Putty oder Termite und einen USB UART-Adapter verwenden, wenn man weiß wie man die jeweilige Platte anschließen und ansteuern muss. In einem professionellen Datenrettungslabor übernimmt das ein Tool wie PC-3000, MRT oder DFL SRP.
Fazit
Bewahren Sie Ruhe und durchdenken Sie alles erst gründlich. Panikentscheidungen aus dem Bauch heraus gehen meist schief!
Mit den limintierten Möglichkeiten ohne entsprechende Ausbildung und Hardware sollte man sicherheitshalber eine Festplatte immer so behandeln als wäre diese mechanisch beschädigt und den Datenträger zuerst klonen. Dadurch ist auch sichergestellt, dass man zumindest einen Teil der Daten gesichert hat auch wenn die Platte während der Datenrettung ausfällt.
Sie benötigen also in den meisten Fällen zwei Festplatten (eine auf die geklont wird und eine weitere auf die die Daten dann extrahiert werden). Damit haben Sie auch gleich eine Platte für Backups damit in Zukunft eine Datenrettung nicht mehr nötig wird. Außerdem benötigen Sie Software mit der die Platte geklont wird und mit der man dann eine eventuell nötige Reparatur des Dateisystems durchführen kann. Hier empfehle ich r-Studio oder UFS Explorer.
Arbeiten Sie nicht mit nur einer Festplatte - wenn Sie die Daten aus der Image-Datei extrahieren und auf die gleiche Platte schreiben verursachen Sie eine recht hohe Belastung der Platte und es ist nicht besonders schnell.
Professionelle Datenretter Klonen Ihre Daten in der Regel auf einem Server mit einem RAID-Array damit es bereits ab dem ersten kopieten Byte ein "Backup" gibt denn oft hat man bei einer Datenrettung keine zweite Chance!
Lassen Sie die Platte während dem Klonen nicht aus den Augen - sehen Sie sich ein paar folgen Ihrer Lieblingsserie auf Netflix an, lesen Sie ein Buch oder hören Sie Musik. Hauptsache Sie sind neben der Platte, können noch hören wenn die HDD zu klicken beginnt oder sehen wenn der Klonprozess nur noch Fehler anzeigt. So können Sie sicherstellen, dass ein professioneller Datenretter dann eventuell noch etwas machen kann wenn Sie selber nicht weiterkommen. Andernfalls laufen Sie Gefahr alles endgültig zu vernichten...